Veranstaltung
Aktionstag

Das Modellprojekt "Wir bündeln Bio" und die Wiederentdeckung des Freiburger Großmarkts

Podiumsdiskussion im Rahmen des 11. Agrikulturfestivals
Freiburg
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Auf einer Bühne im Freien vor einem Banner des Agrikulturfestivals sitzen von links nach rechts: Moderatorin Sophia McRae (Sustainable Food Economy Lab, Universität Freiburg und Organisationsteam Agrikulturfestival), Sebastian Rogga (ZALF), Sabine Fey (Geschäftsführerin Großmarkt), Wolfgang Hees (Bio-Bauer, Teil EZG Biogemüse Südwest, Projektleiter "Wir bündeln Bio")

Von links nach rechts: Moderatorin Sophia McRae (Sustainable Food Economy Lab, Universität Freiburg und Organisationsteam Agrikulturfestival), Sebastian Rogga (ZALF), Sabine Fey (Geschäftsführerin Großmarkt), Wolfgang Hees (Bio-Bauer, Teil EZG Biogemüse Südwest, Projektleiter "Wir bündeln Bio")

Anläßlich des Agrikulturfestivals diskutierten Wolfgang Hees (Bio-Bauer, Teil der EZG Biogemüse Südwest und Projektleiter von "Wir bündeln Bio"), Sabine Fey (Geschäftsführerin Großmarkt) und Sebastian Rogga (ZALF) am 22. Juli 2023 über die Herausforderungen im regionalen Ernährungssystem, das Potenzial des Großmarkts als Hebelpunkt für regionale Wertschöpfungsketten und ihr Modellprojekt zur Einführung bioregionaler Produkte auf dem Großmarkt. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion auf der Hauptbühne von Sophia McRae, die als Teil des Sustainable Food Economy Labs der Universität Freiburg zu nachhaltigen Praktiken und Modellen von Großmärkten forscht und kürzlich ihre Masterarbeit zur Nachhaltigkeit des Freiburger Großmarkts einreichte.

Da der Hauptteil des Publikums Endverbraucher*innen waren und diese nur indirekt mit dem Großmarkt im Industriegebiet Nord zu tun haben, erklärte Sabine Fey zu Beginn dessen wichtige Funktion in der Lebensmittelversorgung als kommerzieller Mittelpunkt für regionale und mittlere Lebensmittelunternehmen, die frisches Obst und Gemüse aus der Region und darüber hinaus anbauen, vermarkten, verarbeiten und vertreiben. Seine Verkleinerung seit den 1960er Jahren sei auf die zunehmenden Herausforderungen der kleinen Landwirtschafts- und Lebensmittelunternehmen zurückzuführen, die u. a. mit der extremen Konsolidierung in der Landwirtschaft und im Einzelhandelssektor zu begründen ist. Bis zu seiner Privatisierung im Jahr 1995 wurde der Großmarkt als städtische GmbH betrieben, so Fey.

Sophia McRae ergänzte, dass der Großmarkt dieses Jahr sein 100-jähriges Jubiläum feiert und gab Einblicke, warum der Großmarkt nicht an Bedeutung für die Versorgung verloren hat. Im Lebensmittelbereich gibt es rund 25 Anbieter, 7 davon sind Großhändler und Importeure, die mehr als 1.000 Kunden in der Region bedienen. Der Großmarkt Freiburg hat ein jährliches Umsatzvolumen von etwa 19 Millionen Euro, was etwa 15.000 Tonnen frisches Obst und Gemüse ausmacht und liefert etwa 10 % des gesamten Obsts und Gemüses, das in der Freiburger Region konsumiert wird. Außerdem stammen 30 % der Umsätze des Großmarkts Freiburg aus regionalen Produkten.

Sebastian Rogga verdeutlichte den Bezug von Endverbraucher*innen zum Vermarktungsweg von bioregionalen Produkten über den Großmarkt. Durch die Bündelung von Bio-Produkten auf dem Großmarkt könnten Außer-Haus-Versorgungs-Betriebe, die Gastronomie, Wochenmarktstände, Hofläden und der unabhängige Lebensmitteleinzelhandel effizienter mit Produkten aus der Region versorgt werden. Bioregionale Produkte seien kein Standard im Großhandel und deswegen oft schwer für Gastronomen und Kantinenbetreiber zu besorgen. Zudem, begründete der Projektkoordinator, sei die Auswahl des Modellprojektes mit der Möglichkeit für den Großmarkt Freiburg seine Nachhaltigkeit zu verbessern und regionale Wertschöpfungsketten für den regionalen Wandel der Lebensmittelwirtschaft auf- und auszubauen, getroffen worden. Er sei gespannt auf die Rückschlüsse zu Nachhaltigkeitsauswirkungen und Transformationspotenzialen des Modellprojektes.

Wolfgang Hees baute die Brücke zur Situation der regionalen Bio-Landwirtschaft. Die meisten Bio-Produkte würden über Discounter und Supermärkte vermarktet, so Hees. Die bestehende Nachfrage nach Bio-Produkten komme momentan den Supermärkten und Discountern weit mehr zugute als den regionalen Bio-Erzeugern und -Händlern. Eine gezielte Förderung von Vertriebsstrukturen für kleine und mittlere, regionale und ökologische Lebensmittelunternehmen sei daher ein wichtiger Baustein für eine resiliente und nachhaltige Transformation der Ernährungswirtschaft. Vermarktungswege von bioregionalen Produkten müssten sich gegenüber Bio-Produkten aus dem Ausland durchsetzen, um die heimische Landwirtschaft zu erhalten. Es fehle in der Region sowohl an Beschaffungs- und Lieferstrukturen als auch an Verarbeitungsstrukturen für bioregionale Produkte. Hier setze das Modellprojekt an, in dem es auf die Verbesserung der Zugänglichkeit zu nachhaltigen Produkten aus der Region abziele.

Auf dem Großmarkt gibt es durch einen Zusammenschluss von bioregionalen Betrieben nun Bio-Gemüse, Bio-Obst und Bio-Kräuter. Bisher lag der Anteil der auf dem Großmarkt verkauften Bio-Produkte bei weniger als 1 %. Kooperationen entlang der Lieferketten werden aufgebaut, damit die Wertschöpfung in der Region bleibt.

Die Zukunft des Großmarkts Freiburg sei aufgrund auslaufender Pachtverträge mit der Stadt Freiburg ungewiss, jedoch dessen Relevanz für die regionalen Versorgungsstrukturen umso bedeutender, bleibt als Resümee der Diskutant*innen festzuhalten