Market-Gardening in Deutschland
Der deutsche Gemüsebausektor steht vor zahlreichen Herausforderungen. Steigende Kosten und Fachkräftemangel zwingen Betriebe, ihre Wirtschaftsweisen anzupassen. Während viele auf Wachstum und Mechanisierung setzen, entstehen immer mehr neue Formen kleinstrukturierter, ökologisch und sozial orientierter Landwirtschaft. Eine aus diesem Kontext hervorgegangene Bewegungen ist das sogenannte Market Gardening – ein biointensives Anbausystem, das mit kleinen Flächen hohe Erträge ermöglicht und häufig in Kombination mit Direktvermarktung betrieben wird. Besonders für Neu- und Quereinsteigende bietet es einen niedrigschwelligen Zugang zur Landwirtschaft.
Im Rahmen des KOPOS-Projekts wurde erstmals untersucht, wer die Menschen in der deutschen Market-Gardening-Nische sind, welche Herausforderungen sie erleben und wie offen sie für zwischenbetriebliche Kooperationen und Nutzung von Dienstleistungen sind. Anstoßgeber dieser Forschungsarbeit war das Modellprojekt Tiny Farms mit dessen langfristiger Vision, regionale Kooperationscluster aus Mikrofarmen aufzubauen, die gemeinsam überbetriebliche Skaleneffekte realisieren. In enger Abstimmung zwischen Forschenden, Tiny Farms und Nischenexpert*innen wurde ein Fragebogen entwickelt, der zwischen Juni und Dezember 2024 online beantwortet werden konnte. Die Befragung richtete sich an Personen mit Interesse an Market Gardening – von Hobbygärtner*innen, über angehende Gründer*innen bis hin zu Betriebsleiter*innen. Verbreitet wurde sie über Berufs- und Hochschulen, Beratungsnetzwerke, Verbände wie dem Kolibri e. V. und soziale Medien. Knapp 300 Personen haben an der Umfrage teilgenommen.
Marktgärtnerei auf dem zweiten Bildungsweg
Die Ergebnisse zeichnen ein vielfältiges Bild der jungen Nische: Der Großteil der Befragten ist weiblich, zwischen 26 und 45 Jahren alt und weist ein hohes Bildungsniveau auf. Außerdem konnte eine Präferenz für autodidaktische und alternative Lernpfade festgestellt werden. Die Betriebe der Nische können unterschieden werden in kleine Marktgärtnereien mit Abokistenfokus, Marktgärtnereien mit diversifizierten Vertriebswegen, Teilmarktgärtnereien und SoLawis. Ein Großteil der Betriebe wurde in den Jahren 2020 bis 2022 gegründet.
Viele steigen mit geringen praktischen Vorkenntnissen in den Beruf ein. „Typische“ Marktgärtner*innen legen Wert auf Selbstbestimmung sowie Gemeinschaft mit Gleichgesinnten und möchten Beruf und Privatleben auf gesunde Weise in Einklang bringen.
Berufseinsteiger*innen brauchen vor allem Wissen, Zugang zu Land und Kapital
Über alle Typen hinweg zeigt sich ein deutlicher Bedarf an praxisorientiertem Wissen – insbesondere bei jenen, die ohne anerkannte Ausbildung in den Gemüsebau einsteigen. Die größten Hindernisse zur Betriebsgründung sind Zugang zu Land und Kapital. Aktiven Betriebsleiter*innen mangelt es vor allem an Zeit, finanziellen Mitteln und Infrastruktur. Zu weiteren Herausforderungen können eine ungesunde Work-Life-Balance, Absatzschwierigkeiten und bürokratischer Aufwand genannt werden.
Kooperationswille von Marktgärtner*innen lässt Raum für neue Geschäftsmodelle
Dem spezifischen Forschungsfokus von KOPOS folgend wurden in der Befragung auch die Praxis bzw. Bereitschaft zur zwischenbetrieblichen Kooperation ebenso abgefragt wie die Bereitschaft, betriebliche Teilaspekte an externe Dienstleister ausgliedern zu wollen. Hohe Offenheit besteht in Bezug auf kooperativ gestaltete Vermarktung, Einkauf und Weiterverarbeitung sowie gegenüber der Auslagerung von administrativen und vermarktungsbezogenen Aufgaben an Dienstleister. Geringere Bereitschaft hingegen besteht in Hinblick auf die Auslagerung produktionsnaher Aufgaben wie Anbauplanung und Betriebsmittelmanagement. Befragte mit Tiny Farms-Bezug zeigten sich besonders dienstleistungsaffin.
Insgesamt liegen zahlreiche Ansatzpunkte für neue Geschäftsmodelle, Beratungsangebote und (digitale) Plattformen vor, durch die Kooperation erleichtert und Ressourcen in der Nische gebündelt werden könnten. Zukünftige Forschung sollte unter anderem erkunden, welche unterschiedlichen Entwicklungspfade Marktgärtnereien einschlagen, welche Lern- und Kooperationsformen den langfristigen Erfolg dieser Nische sichern können und wie sich darin der Wunsch vieler Marktgärtner*innen nach Selbstbestimmung und -verwirklichung integrieren lässt.
